Wieso weiß die Uhr, wie spät es ist?

Wolfgang Neundorf
– – Wolfgang Neundorf – –

Wieso weiß die Uhr, wie spät es ist?
von Wolfgang Neundorf, Stand:16.08.2008
(© 1998 – 2008)

Zitat:

Gerade mit dem Zeitbegriff sind viele Missverständnisse und Fehlinterpretationen verbunden. Auf einige dieser Zusammenhänge im physikalischen Sprachgebrauch gehen die folgenden Ausführungen ein. 

Die Zeit ist 1) kein empirischer Begriff, der irgendvon einer Erfahrung abgezogen worden. Denn das Zugleichsein oder Aufeinanderfolgen würde selbst nicht in die Wahrnehmung kommen, wenn die Vorstellung der Zeit nicht a priori zum Grunde läge. Nur unter deren Voraussetzung kann man sich vorstellen: daß einiges zu einer und derselben Zeit (zugleich) oder in verschiedenen Zeiten (nach einander) sei.
2) Die Zeit ist eine notwendige Vorstellung, die allen Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann in Ansehung der Erscheinungen überhaupt die Zeit selbsten nicht aufheben, ob man zwar ganz wohl die Erscheinungen aus der Zeit wegnehmen kann. Die Zeit ist also a priori gegeben. In ihr allein ist alle Wirklichkeit der Erscheinungen möglich. Diese können insgesamt wegfallen, aber sie selbst (als die allgemeine Bedingung ihrer Möglichkeit) kann nicht aufgehoben werden.
Immanuel Kant (1724 – 1804)

 Wieso weiß die Uhr, wie spät es ist? 

Vorbemerkungen

Die Kantsche Zeitauffassung hier zu diskutieren, soll mein augenblickliches Anliegen nicht sein. Aber diese ist mir immer noch sympatischer als jene Standpunkte, die der Zeit eine selbständige reale und objektive Existenz zusprechen (vgl. Pygmalion-Effekt – Zeit).

Es sind eben zwei Aspekte des „Zeitproblemes“ zu beachten: Zum einen haben wir es mit dem Zeit-Begriff zu tun und zum anderen spielt die Zeit als messbare physikalische Größe eine nicht gerade unbedeutende Rolle. In Pygmalion-Effekt – Zeit bin ich auf wichtige Seiten der Begriffsbildung eingegangen, wobei es um das Problem ging, dass gemeinhin – und dies gilt für die Physik als Wissenschaft in gleichem Umfang – die Begriffe als lineare Abbilder realer Gegebenheiten betrachtet werden. Also:

Es gibt den Zeit-Begriff – also muss es auch das Objekt Zeit geben.

Die zweite nicht weniger wichtige Seite dieser Medaille befasst sich mit der Zeit-Messung. Dies nun einmal setzt eine physikalische Größe voraus, die wir Zeit nennen und für die es exakte Vorschriften der Messung gibt. Dies geht so weit, dass mit Hilfe bestimmter technischer Einrichtungen es möglich ist, einen Zeitmaßstab zu definieren. In Deutschland beispielsweise übernimmt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) die Rolle der Realisierung eben jenes Zeitmaßstabes in Gestalt der SI-Basiseinheit Sekunde.

Wenn es also Prozesse gibt, die einen weitgehend stabilen, eindeutig reproduzierbaren und von allen möglichen Umwelteinflüssen unabhängigen Zeitmaßstab bereitstellen, so sind wir – dies könnte der Eindruck sein – der Objektivierung der Zeit ein beträchtliches Stück näher gekommen:

Die Prozesse in den Atomuhren des PTB verkörpern die objektive Zeit.

Also sind meine Gedanken, den Zeitbegriff betreffend, doch nicht richtig – könnte man meinen. Aber: Uhren sind physikalische Systeme, die – wie auch immer die technische Umsetzung konkret ausfallen möge – einen streng periodischen Prozess realisieren. Einen solchen Prozess finden wir beispielsweise in der Erdrotation, die uns den Zeitmaßstab Tag bereitstellt. Dieses Intervall lässt sich weiter untergliedern in die Einheiten Stunde, Minute und Sekunde. Hier eine Textpassage der Web-Site des PTB (Geschichte der Zeiteinheit):

Das für den Menschen natürliche Zeitmaß ist der durch die Erdrotation definierte Tag. Der wahre Sonnentag (von einem Sonnenhöchststand bis zum nächstfolgenden am  gleichen Ort) hat wegen der Schiefe der Ekliptik und der Ellipsenform der  Erdbahn eine recht ungleichmäßige Dauer. Dem Drehwinkel der Erde proportional und daher eher gleichförmig ist die mittlere Sonnenzeit an einem Ort, deren  Zeitmaß der mittlere Sonnentag dm ist. Mit Hilfe von Uhren wird dm weiter  aufgeteilt in 24 Stunden zu je 60 Minuten zu je 60 Sekunden. Die Festlegung der Dauer der Sekunde als dem 86.400. Teil des mittleren Sonnentages war im Grunde willkürlich, ein Teil unserer tradierten Kultur. Eine formale Definition dieser Sekunde als verbindliches Zeitmaß im Sinne des Internationalen Einheitensystems SI hat es nie gegeben. Die auf den Nullmeridian bezogene mittlere Sonnenzeit  wird Weltzeit UT (Universal Time) genannt, die ursprüngliche und heute noch  populäre Bezeichnung war GMT (Greenwich Mean Time).

Dies ist die offizielle Definition der SI-Sekunde:

Die Sekunde ist das 9 192 631 770fache der Periodendauer der dem Übergang  zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des  Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.

Hier noch einmal ein Satz aus dem ersten Zitat:

Mit Hilfe von Uhren wird dm weiter  aufgeteilt in 24 Stunden zu je 60 Minuten zu je 60 Sekunden. Die Festlegung der Dauer der Sekunde als dem 86.400. Teil des mittleren Sonnentages war im Grunde willkürlich, ein Teil unserer tradierten Kultur.

Um dies aber zu können, ist es zweckmäßig, sich anderer zyklischer Prozesse zu bedienen. Und die einfachste Uhr, die mit mechanischen Mitteln realisiert werden kann, ist das Pendel. Nun sollte die Schwingungsdauer eines Pendels weitgehen unabhängig sein von lokalen Umwelteinflüssen: hier seien beispielsweise Temperatur und Luftdruck genannt. Dass diese Forderung in praxi immer nur näherungsweise erfüllt werden kann, ist allgemein bekannt. Und bekannt auch ist, dass eine Uhr um so „besser“ ist, je weniger ihr Lauf von eben jenen lokalen Einflüssen abhängt. Dies erfüllen die sog. Atomuhren mit hoher Präzision. Warum das so ist, soll im Folgenden nicht erörtert werden. Hier geht es darum, dass Quantenprozesse eben nicht oder nicht nachweisbar von außen beeinflussbar sind. Dies ist ein Kapitel für sich. Die Energieniveaus in den Atomen und die damit korrespondierenden elektromagnetischen Frequenzen sind eben absolut stabil und von außen nicht zu verändern.

Die relevanten Parameter einer Uhr müssen also äußerst stabil sein. Und der mit Hilfe einer Uhr realisierte Zeitmaßstab darf nur abhängen von einem Parameter:

Und dieser Parameter ist die allseits beliebte und bekannte Zeit!

Damit wären wir beim Thema angekommen: Wieso weiß die Uhr, wie spät es ist.

(Zitatende)

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