Wer war der erste Kritiker der Relativitätstheorie?

Von Ekkehard Friebe

Wer war der erste Kritiker der Relativitätstheorie?
(Ein Dialog mit ernstem Hintergrund, überarbeitete Fassung)

Quelle: FRIEBE, E. (1989): „Wer war der erste Kritiker der Relativitätstheorie?”,
aus: „Das Neue Zeitalter”, 1989, Heft 38/39, S. 35 – 36 und S. 15 – 16
Zitat: Ein Jurist (J) und ein Arzt (A), die vor vielen Jahren zusammen das Abitur mit „summa cum laude” abgelegt hatten, trafen sich mit ergrauten Schläfen wieder. Sie kamen ins Plaudern. Plötzlich sagte der Jurist:

J: Stell’ Dir vor, vor einiger Zeit stieß ich bei der Bearbeitung eines Rechtsfalles auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1963 unter der eigenartigen Bezeichnung „Geisterreigen” (BGH 1963). Es handelt sich dabei um einen Streitfall aus dem Presserecht. Ein Ingenieur namens KARL NOWAK aus Wien war im Jahre 1959 von der Zeitschrift „Physikalische Blätter” in einer Glosse mit der Überschrift: „Der Geisterreigen” öffentlich lächerlich gemacht worden. Nowak hatte daraufhin den Abdruck einer von ihm verfaßten Gegendarstellung in derselben Zeitschrift verlangt. Diese Gegendarstellung konnte er aber erst durch gerichtliche Klage bis in die höchste Instanz (Bundesgerichtshof) durchsetzen. Im amtlichen Leitsatz zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs heißt es (Zitat): „Auch gegenüber einer wissenschaftlichen Zeitung, die sich mit einem Außenseiter ihres Fachgebietes auseinandersetzt, kann ein Anspruch auf Aufnahme einer Gegendarstellung gegeben sein.” – Für mich ist an diesem Fall interessant, daß Nowak angeblich bereits im Jahre 1942 theoretisch bewiesen habe, daß EINSTEIN’s Relativitätstheorie unrichtig sei.

A: Ja, ja, man hört immer wieder von solchen psychisch kranken Wissenschaftlern, die Auffassungen vertreten, die einer strengen Prüfung durch Fachprofessoren nicht standhalten.

J: Nein! Gerade das ist ja das Eigenartige an diesem Fall. Es werden in dem Urteil „Geisterreigen” (BGH 1963) sogar etablierte Professoren genannt, die mit diesem Kritiker weitgehend einer Meinung sind.

A: Merkwürdig! Der Fall interessiert mich.

J: Die Sache hat eine lange Geschichte. Da nennt doch der NOWAK einen KARL SAPPER, Professor der Naturphilosophie in Graz. Nun gut, Philosophen sind weltferne Leute. Da bräuchte man an sich nichts darauf geben. Aber denk Dir, der Gute hat ein zweibändiges internationales Sammelwerk (SAPPER 1957, 1962) herausgegeben, in dem zahlreiche Fachleute aus dem In- und Ausland zu Worte kommen.

A: Aber sicher alles Leute, die die Relativitätstheorie nicht verstanden haben!

J: Das kann man eigentlich nicht sagen. Da erscheint z.B. ein Professor Dr. Stjepan MOHOROVICIC aus Zagreb, dessen Arbeit so ausführlich ist, daß sie auf beide Bände des Sammelwerkes anteilig aufgeteilt werden mußte. Zum Beleg seiner Ausführungen zitiert MOHOROVICIC etwa 700 Literaturstellen.

A: Solche Leute kenne ich. Die sammeln mit viel Fleiß die Meinungen anderer, ohne selbst über das eigentliche Problem nachzudenken.

J: Ganz im Gegenteil! Prof. MOHOROVICIC hat zahlreiche eigene Abhandlungen geschrieben. Er tritt sogar schon in einem von H. ISRAEL u.a. herausgegebenen Buch: „Hundert Autoren gegen EINSTEIN” aus dem Jahre 1931 in Erscheinung (ISRAEL 1931).

A: Aber warum gegen EINSTEIN? Hat EINSTEIN allein die Relativitätstheorie geschaffen?

J: Ja und nein. Aber doch wohl mehr NEIN. Denn die eigentlichen Urheber sind W. VOIGT, H. A. LORENTZ, J. LARMOR, H. POINCARE, H. MINKOWSKI und M. von LAUE. Im allgemeinen jedoch wird diese Theorie mit dem Namen ALBERT EINSTEIN verbunden (HUND 1980, FRIEBE 1985, FRIEBE 1988b).

A: Da gab es um das Jahr 1931 offenbar eine Vielzahl von Kritikern dieser Theorie. Aber heute ist doch alles experimentell mit höchster Genauigkeit bewiesen!!!??? Es drängt sich mir deshalb die Frage auf: „Wer war denn der ERSTE Kritiker der Relativitätstheorie?”

J: Geduld, Geduld. Man muß die Geschichte so richtig langsam auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe mich nämlich inzwischen eingehend über die historische Entwicklung informiert. Anfang und Mitte der Zwanziger Jahre dieses so ereignisreichen Jahrhunderts gab es ungezählte Kritiker, wie das oben genannte Buch von ISRAEL zeigt. – Aber die Kritik hält bis zum heutigen Tage an. Man kann sogar feststellen, daß diese Kritik von Tag zu Tag besser begründet ist. So erschien in den letzten Jahren in der Zeitschrift „raum & zeit” (Ehlers-Verlag, München) eine ganze Reihe von Beiträgen (vor allem: KRETZSCHMAR 1987, BARTH 1987, FRIEBE 1988a), die zusammen mit der darin zitierten Literatur einen hervorragenden Überblick über das derzeitige kritische Schrifttum liefern. Denn aus der angeführten Literatur lassen sich unschwer weitere Fundstellen entnehmen, die einen umfassenden Rückblick über die Gesamtentwicklung bis hin zu den geschichtlichen Anfängen ermöglichen.

Vor allem sind die Veröffentlichungen des Autors und Zeitschriften-Herausgebers GOTTHARD BARTH (BARTH 1954 – 1989) hervorzuheben, der sein ganzes Leben in den Dienst der Wahrheitsfindung gestellt hat. Mit seiner Zeitschrift: „Wissen im Werden”, die schon im „Geisterreigen” (BGH 1963) erwähnt wird und die bereits im 22. Jahrgang erscheint, hat er unermüdlich auf Irrtümer in der Physik hingewiesen und Autoren aus aller Welt zu Wort kommen lassen. – Besonders möchte ich ferner hinweisen auf die Bücher: KANTOR (1976), THEIMER (1977), GUT (1981), WICKERT (1984) und PAGELS (1985). Das Buch von WICKERT ist deshalb bedeutsam, weil es nahezu alle Veröffentlichungen von EINSTEIN in chronologischer Reihenfolge zitiert und da andererseits bis heute, d.h. bis zum Jahre 1989, also 34 Jahre nach EINSTEIN’s Tod, immer noch keine „Gesammelten Werke” von EINSTEIN’s Schriften zur Verfügung stehen.

A: Nun mach’ es nicht so spannend! Meine Frage lautet klipp und klar: „Wer war der ERSTE Kritiker der Relativitätstheorie?” Diese Frage scheint mir besonders bedeutsam!

J: Lange Zeit schien es mir so, daß Professor Dr. ERNST GEHRCKE der erste war. Denn er deckte schon im Jahre 1914 (GEHRCKE 1914) wesentliche Mängel der Theorie auf. GEHRCKE wird auch schon im Buch von ISRAEL und im „Geisterreigen” (BGH 1963) zitiert. Aber meine Recherchen zeigten, daß schon einige Jahre vorher ein anderer Wissenschaftler die Relativitätstheorie mit hervorragenden Argumenten in Zweifel zog: Der Schweizer Wissenschaftler WALTER RITZ (RITZ 1911), den MAX von LAUE in seinem Buch von 1952: „Die Relativitätstheorie” (LAUE 1952) eingehend aber verneinend bespricht. WALTER RITZ starb jedoch schon im Jahre 1909 im Alter von 31 Jahren, so daß seine teils in Deutsch und teils in Französisch verfaßten Schriften kaum Beachtung fanden.

A: Einen Augenblick bitte! Du nanntest vorhin neben EINSTEIN und MAX von LAUE die Namen W. VOIGT, H. A. LORENTZ, J. LARMOR, H. POINCARE und H. MINKOWSKI. Was hat denn nun EINSTEIN zu der Relativitätstheorie beigetragen?

J: Er vertrat mit seiner Arbeit von 1905: „Zur Elektrodynamik bewegter Körper” (EINSTEIN 1905) als einer der ersten mit Nachdruck die Auffassung, daß es keinen Lichtäther, also kein reales Medium zur Fortpflanzung von elektro-magnetischen Wellen, gäbe.

A: Und setzte er sich mit dieser Auffassung in kurzer Zeit durch und brachte die vieldiskutierte wissenschaftliche Revolution in Gang?

J: Nein, keineswegs! Denn damals wie heute glaubten und glauben sehr viele Wissenschaftler an einen Lichtäther.

A: Das überrascht mich sehr. Denn ich war der Meinung, daß ein schlüssiger Beweis gegen den Lichtäther schon lange existiere.

J: Man umgeht heute geschickt diesen Begriff und nennt das „Absoluter Raum” oder „Physikalischer Raum” oder einfach nur „Raum”. Diesem „Raum” schreibt man nun alle diejenigen Eigenschaften zu, die früher dem Lichtäther zugeordnet wurden. In diesem Sinne ist der Lichtäther in der Tat nicht existent.

(Zitatende)

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