Über den Umgang mit wissenschaftlichen Modellen

Hiermit nehme ich Bezug auf folgenden Eintrag in diesem Blog:
Günther Baer: „Brauchen wir ein neues physikalisches Weltbild?“ 
Nachstehend bringe ich einen weiteren Beitrag (Kapitel 2) von Günther Baer:
„Über den Umgang mit wissenschaftlichen Modellen“ 

Zitat:

Über den Umgang mit wissenschaftlichen Modellen

Das wissenschaftliche Modell ist heute den Fachleuten aller Bereiche von Wissenschaft und Technik ein unentbehrliches Arbeits- und Hilfsmittel. Um eine exakte Definition des Modellbegriffes haben Fachexperten und Philosophen lange gerungen und gestritten. Daher findet man in der Literatur Definitionen, die sich in Nuancen unterscheiden. In ihrer wesentlichen Aussage stimmen aber alle Modelldefinitionen sinngemäß überein.

Einige charakteristische Grundaussagen sind z.B.:

  • Unter einem Modell versteht man eine materielle oder ideelle Struktur, die nur einen bestimmten Bereich der Wirklichkeit in schematischer oder idealisierter Form proportional oder ähnlich nachbildet.
  • Nur für die nachgebildeten Eigenschaften tritt das Modell an die Stelle des Originals, ein Modell hat stets Ausschnittscharakter.
  • Ein Modell ist dadurch bestimmt, wovon und wofür es Modell ist. Man schafft sich also ein Modell, um die für den beabsichtigten Zweck unwichtigen Eigenschaften vorsätzlich zu unterschlagen. Die für den Zweck bedeutsamen Eigenschaften werden dadurch überschaubarer, mathematisch formulierbar und experimentellen Untersuchungen zugänglich.

Von Erkenntnistheoretikern wird oft ein besonderer Anspruch an die Modellfunktion hervorgehoben: „Ein Modell erfüllt dann und deshalb eine Erkenntnisfunktion, wenn und weil es objektiv immanent solche Informationen enthält, die über die bekannten, zu seiner Projektierung und Herstellung notwendigen Anfangserkenntnisse hinausgehen. Das Subjekt gewinnt am Modell echte neue Informationen und schließt erst daraus auf entsprechende Eigenschaften des Originals.“

Diese Definition ist gewagt, weil sie voraussetzt, daß ein Modell mehr Information enthält, als hineinmodelliert wurde. In gewissen Grenzen mag das für Einzeleigenschaften zutreffen. Doch prinzipiell kommt es bei den Modellen, die zur Erkenntnisgewinnung dienen sollen, darauf an, die Grenzen der Aussagefähigkkeit des Modells sehr genau einzuschätzen, sonst könnten sich die auf das Original rückwirkend übertragenen, (vermuteten!), „echten neuen Informationen“ in Wirklichkeit als verhängnisvolle Trugschlüsse erweisen.

Man modelliert heute fast alles in Wissenschaft und Technik. Und man könnte z.B. auch einen Menschen modellieren, als Wachsfigur, als gläserne Nachbildung des Körperbaus für medizinische Zwecke, oder auch als hochelektronisch funktionierenden Roboter in Menschengestalt.

Es wird aber niemandem einfallen, an diesen Modellen das tiefgründige innere Wesen eines Menschen studieren und mit mathematisch vollendeten Mitteln berechnen zu wollen, oder gar zu behaupten, daß ein Mensch in Wirklichkeit auch nur so beschaffen sein kann und darf, wie es aus dem Modell erkennbar und mathematisch ableitbar ist. Das wäre unwissenschaftliche Nichtbeachtung der Grenzen der Erkenntnisfunktion eines Modells!

Ein Modell kann viele Eigenschaften annehmen, – wenn wir sie ihm geben. Doch ein Modell kann nie zum Original werden und auch nicht dazu erklärt werden, denn dann verliert es seinen Modellcharakter, und es wird dabei der Bereich von Informationen negiert, durch den sich das Modell vom Original unterscheidet. Folglich ist es unsinnig und unwissenschaftlich, eine ideelle Struktur, auch wenn sie ihren Zweck hervorragend erfüllt, zur physikalischen Wirklichkeit zu erklären.

Auch das physikalische Weltbild ist in seiner Gesamtheit eine ideelle Struktur, eine Kombination aus verschiedenen, sich teils sogar widersprechenden UntermodeIlen.

Max Planck über das physikalische Weltbild:

Zu diesen beiden Welten, der Sinnenwelt und der realen Welt, kommt nun auch noch eine dritte Welt hinzu, die wohl von ihnen zu unterscheiden ist: die Welt der physikalischen Wissenschaft oder das physikalische Weltbild. Diese Welt ist, im Gegensatz zu jeder der beiden vorigen, eine bewußte, einem bestimmten Zweck dienende Schöpfung des menschlichen Geistes und als solche wandelbar und einer gewissen Entwicklung unterworfen. Die Aufgabe des physikalischen Weltbildes kann man in doppelter Weise formulieren, je nachdem man das Weltbild mit der realen Welt oder mit der Sinnenwelt in Zusammenhang bringt. Im ersten Falle besteht die Aufgabe darin, die reale Welt möglichst vollständig zu erkennen, im zweiten darin, die Sinnenwelt möglichst einfach zu beschreiben.“ <47>

(Zitatende)

Lesen Si bitte hier weiter!

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