Deutsche Physiker stellen Gravitationsgesetz in Frage

ANGRIFF AUF NEWTON

Deutsche Physiker stellen Gravitationsgesetz in Frage

Von Boris Hänßler (08. Mai 2009, 17:13 Uhr)

Zitat:

Die Dunkle Materie soll ein Viertel des Universums ausmachen und Galaxien vor der Selbstzerstörung bewahren, doch beobachtet wurde sie nie. Deutsche Forscher stellen jetzt in Zweifel, dass es sie gibt – und wollen stattdessen Newtons Gravitationsgesetz ändern, eine der Grundlagen der Physik.

Die Dunkle Materie ist für Astronomen Rätsel und Hilfe zugleich: Bisher wurde sie noch nie direkt nachgewiesen, doch ohne sie scheint das All nicht funktionieren zu können. Die Galaxien etwa müssten von der Fliehkraft ihrer Rotation zerrissen werden, würde man die Dunkle Materie nicht voraussetzen.
Rund 23 Prozent der Gesamtmasse des Universums soll sie ausmachen, im Februar 2008 meldeten Wissenschaftler gar den indirekten Nachweis des mysteriösen Stoffs.

Doch ist es möglich, dass es ihn gar nicht gibt?

Seit einiger Zeit wächst die Zahl der Physiker, die die Existenz Dunkler Materie anzweifeln. Als Alternative bieten sie an, die Newtonsche Gravitationstheorie zu modifizieren – was unter Astronomen einer Blasphemie gleichkommt.

Die Standard-Kosmologie geht davon aus, dass die Gravitation überall im Universum dem Newtonschen Gravitationsgesetz und der allgemeinen Relativitätstheorie gehorcht. „Möglicherweise lag Newton aber falsch“, sagt Pavel Kroupa vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn. „Seine Theorie beschreibt zwar die Alltagseffekte der Schwerkraft auf der Erde, die wir sehen und messen können. Die tatsächliche Physik hinter der Gravitation kennen wir aber vielleicht gar nicht.“

Satellitengalaxien scheinen Newton nicht zu gehorchen

In Artikeln, die im „Astrophysical Journal“ und den „Monthly Notices“ der britischen Royal Astronomical Society erschienen sind, zweifeln die Forscher die Allgemeingültigkeit von Newtons Gesetzen an. Kroupas Team untersuchte mit Wissenschaftlern um Gerhard Hensler, dem Leiter des Astronomischen Instituts der Universität Wien, und Helmut Jerjen von der Australian National University die Satellitengalaxien der Milchstraße. Dabei handelt es sich um Zwerggalaxien, die teilweise nur ein paar tausend Sterne enthalten.

„Unsere statistischen Untersuchungen zeigen, dass die Verteilung der Satellitengalaxien völlig inkonsistent ist mit der Vorhersage der Standard-Kosmologie“, sagt Jerjen. Demnach müssten die Satellitengalaxien gleichmäßig um die Milchstraße verteilt sein, doch die 30 bekannten liegen alle mehr oder weniger in derselben Ebene: Sie sind rechtwinklig zur Milchstraße wie in einer Art Scheibe angeordnet.

Die Forscher nehmen an, dass die Satellitengalaxien in einer frühen Phase des Universums aus Kollisionsresten entstanden sind. Zwei stießen zusammen und bildeten den sogenannten Bulge, den kugelartigen Zentralbereich unserer Milchstraße. Bei einer derartigen Kollision entstehen Gezeitenarme, da die Anziehung der ersten Galaxie auf die zweite auf der einen Seite stärker ist als auf der anderen – beide werden auseinandergezogen. In den Gezeitenarmen bilden sich kleine Satellitengalaxien.

Sie können gemäß der Standardtheorie keine Dunkle Materie enthalten. „Die Sterne in den jetzt untersuchten Satelliten bewegen sich aber viel schneller, als sie es nach den Berechnungen dürften“, sagt Kroupas Kollege Manuel Metz. „Als Ursache kommt aus klassischer Sicht nur die Anwesenheit Dunkler Materie in Frage.“ Ein Widerspruch – es sei denn, man nimmt an, dass wesentliche Grundlagen der Physik bislang falsch verstanden wurden.

Ist Dunkle Materie unnötig?

„Wahrscheinlich leben wir in einem nicht-Newtonschen Universum“, sagt Kroupa. „Wenn diese Annahme stimmt, lassen sich unsere Beobachtungen auch ohne Dunkle Materie erklären.“ Kroupa und seine Kollegen gehen davon aus, dass in Bereichen von Galaxien, in denen extrem schwache Beschleunigungen herrschen, eine „Modifizierte Newtonsche Dynamik“ („Mond“) gilt.

Eine Version der Theorie wurde 1983 von Mordehai Milgrom vom Weizmann-Institut in Israel entworfen und von Astronomen meist belächelt. Sie führte eine neue Naturkonstante in Newtons Theorie ein, um die Gravitationskräfte in Galaxien ohne Dunkle Materie zu erklären.

Laut Newtons Gravitationsgesetz müsste das Tempo, mit der Sterne um das Zentrum ihrer Galaxie kreisen, abnehmen, je weiter sie vom Zentrum entfernt sind. Die Realität sieht allerdings anders aus: Die Geschwindigkeit bleibt gleich oder nimmt sogar zu. Dennoch werden die Sterne an den Rändern der Galaxien nicht von der Fliehkraft aus der Kurve getragen, wie es laut Newton eigentlich geschehen müsste.

Deshalb gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass die Gravitation der Dunklen Materie die Galaxien zusammenhält. Der „Mond“-Ansatz aber besagt, dass in diesen kosmischen Regionen eine Veränderung des Newtonschen Gravitationsgesetzes einsetzt.

Andere Forscher sind skeptisch

Ob die Thesen aus den beiden aktuellen Studien sich auch auf andere Bereiche des Universums übertragen lassen, muss sich noch zeigen. Simon White, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching, ist skeptisch. „Bis jetzt gibt es keine Modifikation der Gravitationsgesetze, die die gesamte Palette an Beobachtungen im Universum erklären kann“, sagt der britische Astrophysiker. „Vielleicht sind wir alle auf dem falschen Weg, aber die Alternativen sind nicht sehr attraktiv.“

Selbst an Kroupas Institut sieht man die Modifizierte Newtonsche Dynamik kritisch. Thomas Reiprich, Leiter einer Forschungsgruppe, die Dunkle Materie in Galaxienhaufen untersucht, verweist auf die Beobachtungen der vergangenen Jahre im Bullet-Cluster. Dabei handelt es sich um zwei kollidierende Galaxienhaufen, die derzeit als einer der besten Beweise für die Existenz Dunkler Materie gelten. Im Bullet-Cluster sammelt sich Gas nicht, wie eigentlich anzunehmen wäre, um die erkennbar größere Masse. „Das kann man am einfachsten damit erklären, dass die meiste Masse in Teilchen ist, die man nicht sieht, also in Dunkler Materie.“ Dennoch sei es wichtig, den von Kroupa gefundenen Diskrepanzen zur Standardtheorie genau nachzugehen.

Außerdem gebe es Untersuchungen, nach denen die Modifizierte Newtonsche Dynamik“ auch im Bullet-Cluster funktioniere, sagt Kroupa. Der Galaxienhaufen Abell 520 etwa verhalte sich praktisch umgekehrt zum Bullet-Cluster. Kroupa glaubt deshalb, dass die neuen Forschungsresultate die Ausrichtung der Kosmologie verändern könnten: „Wenn das richtig ist, was wir hier gefunden haben, wäre der ganze Aufwand um die schwarze Materie für die Katz‘.“

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Ergänzend verweise ich noch auf folgende Arbeit vom Jahre 1998 von Ekkehard Friebe:
„Das 1. Axiom NEWTONs – Ursache der weltweiten Krise der Physik“

Kommentare

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  1. Engelhardt, Wolfgang 31. Mai 2009 (21:38 Uhr)

    Ich habe aus Herrn Friebes Andeutungen nicht herausfinden können, nach welcher Gesetzmäßigkeit sich ein rotierender Körper bewegen soll, wenn er sich in sehr großer Entfernung von einem Gravitationszentrum befindet. Er sollte sich offenbar auf einer krummlinigen Bahn bewegen, die vom Drehimpuls des Körpers abhängt. Wie sieht diese Bahn aus? Von welchen Parametern hängt sie quantitativ ab?

  2. Ekkehard Friebe 1. Juni 2009 (01:57 Uhr)

    Hallo Herr Wolfgang Engelhardt!
    Vielen Dank für Ihre Stellungnahme.

    Es handelt sich bei meiner Aussage:

    „Jeder Körper OHNE DREHIMPULS beharrt in seinem Zustande der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern.“

    nicht um eine Theorie, sondern um ein naturwissenschaftliches Axiom.

    Im übrigen verweise ich auf meine Arbeit:

    „Der Einfluss der Eigenrotation der Planeten auf ihre Bewegungsbahn“
    http://www.ekkehard-friebe.de/Planet02.htm

    Beste Grüße Ekkehard Friebe

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