Das Realprinzip als Erkenntnisstrategie

Das Realprinzip als Erkenntnisstrategie
von Helmut Hille, Deutschland
Vortrag auf der DPG-Physikertagung März 1995
in Duisburg FV DD, Tagungsband S. 176-181

Zitat:
1. Der Faktor „Beziehung“

Anläßlich zweier Vorträge über die Relativität von Wirklichkeit im Rahmen der „Wiener Vorlesungen“ im Rathaus von Wien, „einem internationalem Forum für bedeutende Persönlichkeiten“, hat der bekannte Philosoph und Psychologe Paul Watzlawick „zur Erweiterung unserer Sichtweise durch den Faktor ‚Beziehung'“ auf folgendes hingewiesen.

„Wir müssen umdenken lernen. Wie das aussehen kann, dafür bietet uns Bertrand Russell einen sehr wichtigen und brauchbaren Hinweis. Er verweist darauf, daß ein häufiger Fehler in der Wissenschaft darin liege, zwei Sprachen zu vermengen, die streng voneinander getrennt sein müßten. Nämlich die Sprache, die sich auf die Objekte bezieht, und die, die sich auf Beziehungen bezieht. Ein Beispiel: wenn ich sage, dieser Apfel ist rot, dann habe ich in der Objektsprache eine Eigenschaft dieses Objektes Apfel bezeichnet. Sage ich dagegen, dieser Apfel ist größer als jener, dann habe ich eine Aussage über die Beziehung gemacht, die sich nicht mehr auf den einen oder den anderen Apfel zurückführen läßt. Die Eigenschaft des Größerseins kann nur in Bezug auf die Beziehung verstanden werden. Das ist so schwer zu begreifen. Unser beginnendes Verständnis der Eigenschaften von Beziehungen ist noch ein sehr rudimentäres und gibt uns bisher eigentlich mehr Rätsel auf als Erklärungen.“

Beziehungen oder lat. Relationen existieren rein mental im Anschauungsraum des Beobachters und entstehen durch geistige Verknüpfungen, z. B. von Objekten. Durch Verknüpfung ordnen wir Objekten uns Verständnis gebende Eigenschaften zu, die sie nicht für sich selber haben, z. B. die des Größerseins. Wollen wir der Klarheit und Wahrheit wegen die verfälschende Vermischung von Ebenen vermeiden, dann müssen wir als erstes aufhören, Aussagen zu Relationen mit dem Prädikat „objektiv“ zu belegen.

Objektiv kann immer nur etwas sein, was einem Objekt und ihm allein zugehört.

Dagegen gehören alle nichtkausalen Beziehungen in die Sphäre des Subjekts und haben ihre Wahrheit einzig durch sein Verständnis von Objekten. Erst wenn wir aufhören, uns darüber Illusionen zu machen und wenn wir Relationen als Relationen erkennen, lernen wir, zwischen Objekt- und Subjektebene und letztlich auch zwischen Denken und Sein zu unterscheiden und die verfälschende Vermengung der Ebenen zu vermeiden. Je klarer jemand durch die Erweiterung seiner Sichtweise erkennt, zu welcher Ebene seine jeweilige Aussage gehört, ein um so besseres Objektverständnis kann er gewinnen. Oder wie Parmenides sagte: „Denn nicht ohne das Sein … wirst Du das Erkennen finden.“

Meiner Überzeugung nach muß es das Ziel in den Naturwissenschaften sein, gedanklich so weit wie möglich aus der Ebene der Relationen in die Objektebene vorzustoßen und von ihr aus zu argumentieren. Diesen anzustrebenden Argumentationsgrundsatz nenne ich das „Realprinzip“. Ich verstehe ihn als einen Grundsatz, den die Vernunft mir nahelegt, wenn ich erkenne, daß ich zwischen Relationen und Realitäten unterscheiden muß und zu bedenken habe, daß nur vom Realen und nicht von Relationen kausale Wirkungen ausgehen können: Nur Sachen können Ursache sein! Gingen von Relationen, die nur mental existieren, also vom Gedachten, Wirkungen aus, dann fielen diese nicht mehr in den Bereich der Wissenschaft, als der Kunde vom Seienden, sondern in den der Magie.

So verkörpert das Realprinzip als Denkprinzip den Geist der Wissenschaftlichkeit.

In seinem Sinne werden von mir im folgenden Text die Eigenschaften „objektiv“ und „subjektiv“, rein sachlich, auf die ontisch unterschiedlichen Ebenen verweisend, ohne jede qualifizierende oder emotionale Wertung gebraucht.

(Zitatende)

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