Was sind physikalische Gesetze?
Von Ekkehard FRIEBE, München
Quelle: FRIEBE, E. (1988): „Was sind physikalische Gesetze?“,
Zeitschrift „raum & zeit“, 32/88, S. 88 – 91
Zur Wissenschaft und Forschung – so wie „raum & zeit“ sie versteht – gehört, daß man alles kritisch hinterfragt. Selbst sogenannte Gesetze. Zu den erfreulichsten Forschern in diesem Sinne gehört Ekkehard Friebe, dessen Beiträge regelmäßig positives Echo auslösen. Zur Wissenschaft und Forschung gehört nicht elitäres Denken, Rechthaberei, Intoleranz und die wütende Verteidigung von Irrtümern. Wissenschaft lebt – wie die Demokratie – von Kritik und nicht vom Jubel, vom Dialog und nicht vom Dogma. Daher kann die Forderung, die der Autor mit diesem Beitrag stellt, endlich den Begriff „physikalisches Gesetz“ zu vermeiden und ihn in der Regel durch „Definitionsgleichung“ zu ersetzen, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
In zahlreichen Lehrbüchern der Physik findet man sogenannte „physikalische Gesetze“ in mathematischer Schreibweise, die bei Schülern und Studenten den Eindruck erwecken können, als handle es sich hierbei um naturgegebene Zusammenhänge, die nur so dargestellt werden könnten. Es wird hierbei jedoch nicht klar genug unterschieden zwischen durch Vereinbarung festgesetzten Definitionen und davon abgeleiteten mathematischen Zuordnungen. Im Folgenden soll ein simpler Dialog das Wesen einer physikalischen Definition veranschaulichen.
Gibt es eine experimentelle Bestätigung des „OHM-schen Gesetzes“?
So eine dumme Frage! Das weiß doch jedes Kind, daß dieses Gesetz von dem bekannten Physiker Georg Simon OHM vieltausendfach in der Praxis bewährt ist und schon von Halbwüchsigen ohne Schwierigkeiten experimentell überprüft werden kann.
Wird es auch überprüft? Mit welchen Fehlertoleranzen wird es überprüft? Wie erfolgt eine solche Überprüfung?
Das ist doch ganz einfach! Ich nehme einen metallischen Leiter, lege eine elektrische Gleichspannung an die Enden des Leiters an und messe den durch den Leiter fließenden Strom. Dann erhöhe ich die elektrische Gleichspannung um z. B. 10% und messe erneut den Strom. Ich stelle fest, daß sich auch der Strom um 10% erhöht hat. Damit ist die Proportionalität zwischen Spannung und Strom bewiesen und das OHM-sche Gesetz bestätigt.
Gilt das auch, wenn ich den Strom so stark erhöhe, daß sich der elektrische Leiter merklich erwärmt?
Dann natürlich nicht wegen des Temperatur-Koeffizienten des Leiters!
Gilt das auch, wenn ich statt eines metallischen Leiters einen Halbleiter verwende?
Dann natürlich nicht!
Gilt das auch bei Wechselspannung?
Dann natürlich nicht wegen der Selbstinduktivität des Leiters!
Wann gilt das OHM-sche Gesetz denn überhaupt?
Ja … man hat da einen speziellen Widerstandsdraht, den so genannten Konstantan-Draht, entwickelt. Der hat überhaupt keinen Temperatur-Koeffizienten. Da gilt das OHM-sche Gesetz streng und absolut!
Auch wenn ich den Strom so stark erhöhe, daß aufgrund der Verlustwärme die Schmelztemperatur des Konstantan-Drahtes überschritten wird?
Dann natürlich nicht!
Wann gilt dann das OHM-sche Gesetz überhaupt noch?
Die Lösung des Problems liegt darin: Das OHM-sche Gesetz ist überhaupt keine physikalische Gesetzmäßigkeit, die aus irgendwelchen Einflüssen der Natur folgt, sondern eine Definitionsgleichung für einen idealisierten Widerstandsbegriff. Mit dieser Begriffsdefinition ist feststellbar, ob ein Leiter oder Halbleiter der verschiedensten Eigenart vorliegt (Heißleiter, Kaltleiter, Fotowiderstand, Diode, Tunneldiode, Hallgenerator, Varistor o. ä.) oder ob Einflüsse von außen (z.B. Wechselspannung, Erwärmung, magnetischer oder optischer Einfluß) gegeben sind (vgl. FRANKE 1969: „Lexikon der Physik“). Um alle diese Einflüsse berücksichtigen zu können, verwendet man den Begriff des differentiellen Widerstandes:
Rdiff = dU/dI
Hiermit läßt sich der örtliche oder momentane Widerstandswert an jeder Stelle einer noch so gekrümmten Widerstandszuordnung ausdrücken. Denn im „Differentiellen“ ist jede Zuordnung „linear“! Hierbei sind auch negative Werte des differentiellen Widerstandes möglich (Tunneldiode).
Ähnliche Betrachtungen gelten auch für andere sogenannte „physikalische Gesetze“, die oft nur Definitionsgleichungen im oben aufgezeigten Sinne sind.
Grundsätzlich gilt jede Definitionsgleichung a priori unabhängig von experimentellen Befunden, solange die Fachwelt die damit festgelegte Vereinbarung anerkennt. Für eine Definitionsgleichung gibt es daher weder eine VERIFIZIERUNG noch FALSIFIZIERUNG. Sie kann sich allerdings im Verlaufe der wissenschaftlichen Entwicklung als unzweckmäßig erweisen. Dann sollte sie durch eine andere Definition abgelöst werden.
Da auch abgeleitete mathematische Zuordnungen der Physik stets auf Definitionsgleichungen beruhen, die ihrerseits weder verifizierbar noch falsifizierbar sind, kann eine mathematische Funktion zur Beschreibung eines physikalischen Sachverhaltes niemals experimentell bewiesen werden. Nicht einmal einem Lineal, und sei es noch so gut gearbeitet, kann man eine Gerade oder eine lineare Funktion zuordnen, wenn man es genau nimmt. Denn wenn man das Lineal unter dem (Elektronen-) Mikroskop betrachtet, zeigt sich eine sehr unregelmäßige Struktur, die mit einer Geraden nur sehr wenig zu tun hat. Außerdem reicht ein Lineal nicht von plus bis minus Unendlich, was ein wesentliches Charakteristikum einer mathematischen Geraden ist. Die Gerade oder lineare Funktion ist daher nur die Definition eines idealisierten Lineals, das in der Praxis nur begrenzt genau realisiert werden kann.
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- 25. April 2012
- Deutschsprachige Kritik der Relativitätstheorie
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